Markus Heidmeier

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Tag: Weltanschauung

Männer, Mäntel, Mythen

Der Dokumentarfilm „Das Ende des Politbüros“ – Versuch eines Psychogramms der SED-Führungsclique. Protagonisten und Randfiguren erzählen von den letzten Monaten der SED-Spitze. Politbüromitglieder wie Schabowski, Schürer und Krenz bieten Innenansichten in die atemberaubende Hermetik eines Führungszirkels. Äußerungen damaliger Beobachter wie Honeckers Leibwächter eröffnen dem Zuschauer zusätzlich Einblicke, die Befunden in pathologische Beziehungsstrukturen innerhalb des Politbüros gleichen. Gefangene ihrer damaligen Rollen bleiben fast alle. Mit der individuellen Mythenbildung der damaligen Akteure beschäftigte sich der Dokumentarfilm „Das Ende des Politbüros“ am Mittwochabend auf arte.

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Jörg, 32, Key-Account-Manager

Jörg, 32, Key-Account-Manager in der Lebensmittelverpackungsbranche.

Das Joy Division Album Closer hatte ihn damals wirklich beeindruckt. Es steht heute noch im Regal. Neben den CDs von Bruce Springsteen und Sting, die später dazu kamen (da war er schon mit Bibi verheiratet) und die er auch nicht mehr hört. Musik interessiert ihn eigentlich nicht. Hat sie auch nie. Aber vor allem das ganze Getue damals – Depression, Verzweifelung – das nervte so richtig. Alles Einbildung. Er hatte auch zwei-, dreimal behauptet, eine „Depression“ gehabt zu haben. Aber, ehrlich gesagt, bis heute ist ihm nicht klar, was das sein soll, eine Depression. Man packt’s oder man packt’s nicht. Er hat’s gepackt. Mittelständischer Betrieb. 4500 netto. 17 Leute in der Abteilung. Gute Produkte, gute Preise. Und er ist ein verständnisvoller Chef. Der Kollegin aus dem Vertriebsbezirk zwozweiundzwanzig hat er sechs Wochen Schwangerschaftsurlaub extra verschafft. Das war nicht schwer.

Auch privat ist alles im grünen Bereich. Er mag Bibi (auch wenn ihm ihr Yoga-Tick gehörig auf die Nerven geht), er liebt seine beiden Kinder. Und er liebt seinen BMW. Euro 4, schadstoffarm. 177 PS. Was noch? Gelegentlich fuhr er sogar Zug. Bei Terminen im Westen. Von wegen CO2 und so. Aber manchmal ist es eben wichtig im oberen Drehzalbereich noch einmal nachlegen zu können. Für die Stadtautobahn. Auf der sich die Anzahl der Irren täglich zu verdoppeln scheinen, reichte es jedenfalls. Aber Leasingvertrag für einen 5er liegt schon in der Schublade.

T-Mobile-Spot gesehen, geweint

Eine dezente, aber sympathische Landschaft. Natur. Regen. Irgendwo in der westlichen Welt. Im Auto eine hübsche, aber sympathische junge Frau. Im Radio ein sehnsüchtiges, aber sympathisch trauriges Liebeslied. Gegenschnitte auf einen gitarrespielenden jungen Mann, Marke H&M-Melancholiker, aber sympathisch. Ankunft. Umarmung. Das Autoradio war das Mobiltelefon. Nabelschnur einer großen Liebe. Die Standleitung zwischen zwei Liebenden dank Flatrate und Co. Das Gehirn glaubt dem Spot und gibt das Kommando „Rührung, weinen“ aus. Dann folgt die Scham.

httpv://de.youtube.com/watch?v=bStsJnBwRfU

Auf der Suche nach postmodernem Horror ist man hier am Ziel. Keiner der Beteiligten hatte zu irgendeinem Zeitpunkt Wahrhaftigkeit, Berührung, Liebe als Antriebskraft der Werbespotproduktion. Es, die Liebe, war immer nur Hebel eines strategischen Denkens. Der Rezipient erkennt und kann dennoch die Tränen nicht unterdrücken.

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